December 1, 2014

ROCKTIMES

Große Güte! Kollege Markus meinte im April dieses Jahres: »...hat man hier eine knapp vierzigminütige Reise an den Rand des Wahnsinns und zurück vor sich...«
Das kann ich toppen, einmal mit der fast doppelten Reisedauer und dann mit Sachen wie z. B. "Noise Again". Ganz klar galt es beim ersten Hören, den Redaktionskollegen nach seiner Besprechung des 2014er Albums Music To Watch The Clouds On A Sunny Day erst mal zu schonen. Er wird noch gebraucht!
Wolken gibt es auf dieser Kompilation des »best of Inutili's early recordings« nicht. Und ein sonniger Tag ist soweit weg, wie es nicht mal der Urknall ist. Die neun Aufnahmen stammen aus den Jahren 2012 und 2013, sind also älter, als "Fry Your Brain" und "Drunk Of Colostro". Die Informationen sind spärlich und ich kann nicht klären, ob Basser Giancarlo di Marco wieder an Bord ist. Im Promozettel zu vorliegender Platte steht, dass die Tracks noch mit Giancarlo am Tieftöner vor dessen Weggang eingespielt wurden. "Music To Watch The Clouds On A Sunny Day" ist von 2014 und da war er wieder/immer noch dabei. Wo sollte er denn auch hin? Wenn er diese Art von Musik liebt und spielen will - wer wollte ihn ins Line-up nehmen?
Nun, so schlimm wie sich das bis hierhin anhört ist es gar nicht. Eigentlich überhaupt nicht schlimm, wenn man mit Musik kein Geld verdienen, sondern einfach nur das spielen mag, was man will. Die vier Italiener tummeln sich im weiten Feld des Psychedelic, experimentieren, kennen Stoner- und Space Rock und kochen daraus eine Minestrone, in der sich wenig bekannte Gemüsesorten finden. Ein Faden ist schwer zu finden und wenn man ein Zipfelchen davon hat, ist er nicht mal rot. Nicht auf den ersten Blick. Aber trotzdem fasziniert die Scheibe. Spätestens nach dem ersten Durchlauf bei "My Girlfriend Is A Zombieslut". Bei diesem Stück gelingt es zum ersten Mal mühelos die Suppe zu genießen. In Zeitlupe treibt die Nummer über einen mit zähem und bedrohlichen Bodennebel bedeckten, verfallenen Friedhof. Die Geräusche erinnern an Wesen, die man in solchen Szenarien herumstolpern sieht und ich konstatiere: Der Trackname ist perfekt gewählt.
Die beiden Kater sind während des ersten Hördurchgangs verschwunden. Einfach nicht mehr da. Menschen sind ebenfalls nicht in der Nähe. Auf zur Runde zwei.
Das scheinbare Sammelsurium aus Geräuschen und instrumentalen Parts lichtet sich und immer öfter lässt sich der Faden blicken und in tiefem Rot leuchten. Um allerlei 'Zeugs' herum, beginnen sich Gitarre und Bass zu formieren und geordnete Sequenzen einzustimmen. Ich höre Vogelgezwitscher und bis ich merke, dass dieses vom Garten draußen kommt, habe ich es einfach zusammen mit "Bangcock" genossen. "Nicotine" und "Noise Again", erstmal schwer verdaulich, zeigen, dass Bass und Elektronik nicht nur Fundament und Gerüst, sondern fast auch Hauptakteure sind. Fast wie ein Fremdkörper präsentiert sich da das mittlerweile als hochmelodisch empfundene "No Name Science". So minimalistisch der Gitarreneinsatz auch ist, so 'normal' klingt dieses Instrument im experimentellen Kosmos. "Radon" rockt gar (im Gesamtkontext des Albums) und hat ein paar schöne Wah Wah-Einsätze.
Auch "The Monarch Must Die" zeigt erstaunlich viel Rhythmik (dieses Wort aber bitte immer auf dieses Platte bezogen verstehen) und verleitet zu ersten im 'Takt' mitnickenden Kopfbewegungen. Wenn der Takt mitzählbar und glasklar erkennbar sein soll, ist "Mechanical Lady" das Paradepferd. Würde in einem Spaceship noch irgendwo ein Diesel tuckern, dann klänge er wohl so. Nun bin ich wieder bei "My Girlfriend Is A Zombieslut" und ja, dieses Stück ist das Meisterwerk auf "Unforgettable Lost And Unreleased".
Ich bin immer noch alleine im Raum, habe Zeit und will noch einen Hörgang.
Das Album hat was, ist anders, anfangs wohl etwas schwerer zugänglich als Vergleichbares ähnlicher Truppen, gewinnt aber, wenn man sich die Zeit nimmt. Gottlob heißt unser Motto »Nehmt euch Zeit für gute Musik«. Im Plattenladen kurz mit dem Kopfhörer reinhören ist nicht, bzw. würde zum sofortigen Auswerfen des Silberlings führen. Das wissen wohl auch Inutili und werden sich einen Kehricht darum scheren.. Um Geld zu verdienen, ich sagte es bereits, macht man keine Musik dieser Art. Die vier Südländer spielen einfach ihr Ding und wabern durch eine Melange aus technischen Klängen und organischen Klanglandschaften.

Gleich kommt wieder Track Nummer neun und ich freue mich schon darauf. Bloß, wie sag ich es den beiden Katern?
Line-up:
Alessandro Antinori (drums, guitar - #8)
Giancarlo di Marco (bass, guitar - 2,5,9)
Pietro Calvarese (guitar, electronics)
Danilo di Francesco (guitar, bass - #2,9, drums - #8) 



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